Montag, 15. Oktober 2012

Warum will man eigentlich Kinder?

Eine berechtigte Frage. Findet ihr nicht? Warum um alles in der Welt taucht bei einer Frau urplötzlich der Wunsch auf, Mutter werden zu wollen? Heute feiert man noch ausgelassen den 25. Geburtstag und morgen beginnt man sich den Kopf über fruchtbare Tage und Babykram zu zermartern. In so manch ruhiger Minute habe ich mich bereits mit dieser Frage beschäftigt. Aber nicht nur in ruhigen, besinnlichen Minuten. Denn meist drängte sich mir diese Frage dann auf, wenn man sich als Unfruchtbare mitten in einem Mütter-Rudel befindet und die Situation einfach nur beobachtet.

Die Kleinen schreien, weinen bei jeder Gelegenheit, wissen anscheinend ab der ersten Lebenswoche die Eltern auszutricksen, gegeneinander aufzuhetzen und erlauben den meist völlig abgekämpften Müttern nicht einmal eine kurze Kaffeepause.

Ich verhalte mich dann immer recht ruhig und beobachte das Ganze mit (ich gestehe) einem leichten Grinsen im Gesicht. Also bitte: wenn ich schon unfruchtbar bin, dann darf ich mich wohl über gestresste, genervte Eltern belustigen. Ein wenig zumindest.

Mütter halten sich ja fälschlicherweise für ganz normale Menschen. Das Folgende würde ich nicht wagen in einer Müttergruppe von mir zu geben. Das könnte böse enden. Aber seien wir uns ehrlich: Welche Menschengruppe unterhält sich denn während dem gemütlichen Freundinnentreffen über Brechdurchfall, Rotzblasen und Dammschnitte? Ganz richtig: Mütter. Ob man will oder nicht, man erfährt alles über die (ohnehin immer) schlimmste Geburt aller Zeiten. Zu große Köpfe die sich durch zu kleine Ausgänge quetschten. Zu lange Fingernägel, die Spuren im weiblichen Innenraum hinterließen. Und nach solchen oder ähnlichen Horrorgeschichten kommt aber immer, und das unter Garantie, der Spruch: aber wenn man das kleine Ding dann auf der Brust liegen hat ist alles vergessen.

Ach ja? Und warum könnt ihr dann die ganzen Abartigkeiten detailgetreu wiedergeben?

Alles wird einem förmlich aufgedrängt.

Aber wehe man gibt dann als Nichtmutter irgendwelche unpassenden Kommentare ab. Wir haben zwar Meinungsfreiheit, aber Vorsicht. Mütter sind was ihre Babys angeht, humorfreie Zonen. Mit ihnen ist nicht zu spaßen. Man könnte glauben, dass  manchen Müttern zusammen mit der Nachgeburt auch ein Großteil ihres Humors abgenommen wurde.

Die realistische Wahrnehmung hinsichtlich des eigenen Kindes ist Müttern meistens auch unmöglich. Das eigene Kind ist ohnehin das Schönste (was ich ja auch verstehe), auch wenn der kleine undichte Mensch mit schrumpeligen Ärmchen und Beinchen und oft deformiertem Schädel (man hofft darauf, das sich das noch zurecht wächst) vor einem liegt. Aggressive Schreihälse werden schnell mal als "aufgeweckt" betitelt und ängstliche Rockzipfelhänger als "sensible Denker". Und wie lange gelten mondgesichtige Moppel offiziell eigentlich als Babyspeck-Träger?

Die Schwangerschaften selbst werden den Nichtmüttern ja trotz mindestens dreimonatiger Kotzanfällen, Stimmungsschwankungen und Elefantenbeinen schön geredet. Kreuzschmerzen und Schwangerschaftsstreifen werden dezent unter den Tisch fallen gelassen und auch die Tatsache des partnerschaftlichen Zehennägelschneidens und Dammbeinmassierens wird verschwiegen.

Wenn die kleinen (oft übellaunigen) Zwerge dann auf der Welt sind, beginnt die Erziehung. Irgendwie sollte man es ja hinbekommen, dass aus dem eigenen Kind nicht ein absoluter Loser wird. Die ersten Jahre bestehen aus Trotzphasen, Schlafmangel, Kotzflecken auf nahezu jedem T-Shirt und bergeweise vollgekackter Windeln. (Und nein, liebe Mütter, der Geruch einer Solchen ist außer für direkt im Verwandtschaftsverhältnis Stehende wirklich nicht erträglich.)

Also warum zum Teufel will man denn nun Kinder?

Ist diese Frage denn wirklich so ungewöhnlich? Ich habe sie auch in meinem Umfeld gestellt. Aber irgendwie war die Reaktion Mancher doch sehr speziell. Ich hatte sehr oft das Gefühl, dass diese Frage einer unfruchtbaren Frau nicht zustünde. Darf ich mir die Frage denn nicht ernsthaft stellen?

Bist du dir denn nicht mehr sicher? Warum versuchst du denn dann eine künstliche Befruchtung? Denkst du wirklich so über Schwangerschaft, Geburt und Erziehung? Solche und Andere Gegenfragen kamen postwendend zurück.

Halt! Stopp! Wenn ich mir nicht absolut sicher wäre, dass ich ein Kind will, dann würde ich das Alles nicht auf mich nehmen. Und die vielen vernachlässigten Kinder, die aus einer reinen kurzfristigen Bauchentscheidung heraus oder aus Fahrlässigkeit gezeugt wurden, sprechen meines Erachtens dafür, dass sich mehr diese Frage stellen sollten.

Ich bin mir sicher. Ich wünsche mir nichts mehr als eine dieser übervorsichtigen, vollgekotzten, manchmal gestressten, durch und durch liebenden Mütter zu werden. Mein Kind wird für mich einmal den schönsten deformierten Kopf, die süßesten Schrumpelärmchen und die best riechenste vollgekackte Windel haben. Ich freue mich darauf, einem kleinen hilflosem Wesen viel von meiner Zeit, Fürsorge und Liebe zu geben. Unsere Beziehung ist stark genug für ein Kind eine andere Qualität anzunehmen. Wir sind bereit für einen völlig neuen Lebensabschnitt und bereit dafür uns dem anfänglichen Chaos zu widmen.

Und genau so wie jede andere frischgebackene Mutter möchte ich (wenn meine Zeit irgendwann kommt) nach einem 15-stündigen Geburtsmarathon mein blutverschmiertes, blaugefärbtes Babybündel auf der Brust liegen haben und überglücklich sagen können: alle Schmerzen sind vergessen.

Also ja, ich weiß ganz genau warum ich ein Kind möchte!

Künstliche Befruchtung auf der Waagschale

Irgendwann kam dann einmal der Zeitpunkt, an dem ich mich etwas intensiver mit dem Thema künstliche Befruchtung auseinandersetzte. Ja, noch intensiver als es einfach zu machen. Ausschlaggebend war eine Sendung auf einem jener TV-Sender, bei denen mein Finger ansonsten schon rein instinktiv weiterzappt. Per Zufall also, wenn man so sagen will, blieb ich bei einer Sendung hängen, bei der das Thema künstliche Befruchtung in Amerika aufgegriffen wurde. Was ich da sah schockierte mich. Welche Möglichkeiten es überhaupt gab war nicht nur interessant sondern auch ziemlich beängstigend wenn ich ehrlich bin. Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin natürlich ein Befürworter der künstlichen Befruchtung, doch irgendwo hört für mich der Spaß auch auf. Die Amis betreiben alles rund um das Thema Kinderwunsch (wie alles Andere auch) etwas exzessiver. Es ist dort ganz normal, dass man sich das Geschlecht des Kindes aussuchen kann. Der interviewte Doktor stellte sogar fest, dass es bereits möglich wäre die Haarfarbe oder die Augenfarbe zu wählen, doch die Menschheit wäre noch nicht bereit dafür. Wie krank ist das denn? Wobei ich bei solchen Hardcore-experimentellen Dingen sowieso nicht die richtige Ansprechperson bin. Da halte ich nichts davon. Im Gegenteil. Manchmal denke ich sogar darüber nach, ob künstliche Befruchtung im Allgemeinen nicht bereits ein Eingriff in eine Thematik ist, die uns (damit meine ich uns Menschen) nicht zusteht. Aber diesem Thema negativ gegenüber zu stehen, da würde ich mir ja selbst ins Knie schießen. Aber seien wir uns ehrlich: komisch ist es schon wenn man darüber nachdenkt. Gegner bezeichnen es als Eingriff in die Schöpfung. Was es ja rational betrachtet auch ist. Aber für unsereins (Paare mit unerfülltem Kinderwunsch) ist es ein Wunder.

Weiters wurde in diesem Film gezeigt, dass die Wissenschaftler mittlerweile aus Hautzellen (stellt euch das mal vor) Spermien erzeugen können. Aus Hautzellen! Außerdem wurden in einer künstlich erzeugten Gebärmutter bereites Mäuseembryonen bis zwei Drittel der "Schwangerschaft" ausgetragen. Das ist bereits alles möglich. Und wer weiß was noch alles möglich ist, von dem wir Normalsterblichen nicht mal annähernd Bescheid wissen.

Als ich mir, wie so oft, in den Internetforen die Wartezeit bis zur einsetzenden Periode vertrieben habe, habe ich so einiges gelesen. Unter anderem auch über den Embryo-Glue. Hiermit soll eine bis zu 30%ige Zunahme der Einnistung erreicht werden. Die Inhaltsstoffe sollen die der Flüssigkeit in der Gebärmutter angepasst sein und verbessern anscheinend gleichzeitig die Ernährungssituation der Embryos. Vor allem ist er aber für das Anhaften der Embryonen an die Gebärmutterschleimhaut zuständig. Ich weiß nicht recht. Ein wenig Entscheidungsfreiheit möchte ich meinem Körper schon noch lassen. Jetzt trickse ich ihn bereits mit einer externen Befruchtung aus, da muss ich ihn nicht auch noch für unmündig erklären in dem ich ihm den Blastozyst reinklebe. Vielleicht hat es ja doch einen Grund warum es zu keiner Einnistung kommt, auch wenn man im Moment des Einsetzens der Periode schreiend und heulend davonlaufen könnte. Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung. Ich hoffe es fühlt sich niemand von mir auf den Schlips getreten. Aber mal abgesehen davon, dass es jeder selbst für sich entscheiden kann, ist eine 100%ige Einnistung auch trotz Embry-Glue ohnehin nicht gegeben. Und wenn man schon über "Gründe" nachdenkt, könnte man ja auch behaupten: "Vielleicht hat es ja einen Grund, dass ich auf natürlichem Weg nicht schwanger werde". Diese Überlegungen gehen ins Unendliche. Ich möchte auch gar nicht länger in diesem Meinungstümpel herumwaten. Aber solche und andere Überlegungen waren eben gelegentlich sehr präsent. Fairerweise sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich durch meine neu begonnene Ausbildung zur Energetikerin sehr viele neue Sichtweisen bekommen habe und vielleicht, oder genau deshalb, sehr viel über meinen Körper und mich als Ganzes hinterfrage. Das fängt schon bei der Überlegung an, ob verstopfte Eileiter eventuell doch nur eine (sagen wir mal) "Momentaufnahme" sind, wie zum Beispiel eine verstopfte Nase. Ein etwas waghalsiger Vergleich, aber warum sollen Eileiter nicht aus etwaigen Gründen nicht mal wieder frei werden? Oder die Quantität der Spermien durch andere Lebensumstände nicht ansteigen? Man hört und liest so oft, dass Unfruchtbarkeit auch psychische Faktoren hat und Frauen trotz schwerwiegender Diagnosen plötzlich doch fruchtbar sind. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere aufmerksame Leser noch an meine Einstellung zu Beginn dieses Tagebuches, als ich erwähnte, dass ich es für schwachsinnig halte wenn mir Menschen vorschwafeln, dass ich mich nicht so auf das Kind versteifen soll. Und dass Pärchen, als sie mit dem Kinderwunsch bereits abgeschlossen hatten plötzlich schwanger waren. Jetzt frage ich mich schön langsam ob an diesen Aussagen vielleicht doch etwas Wahres dran ist. Immerhin merke ich selber, dass es mir gut tut, dass der fürchterliche Druck weg ist. Wir haben zwar noch (lange) nicht unseren Kinderwunsch ad acta gelegt, aber es ist eindeutig weniger stressig und erträglicher geworden.

So sehr ich mir ein Baby wünsche, aber mich beschäftigt immer öfter wie weit ich dafür gehen würde. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich gerade mal zwei lächerliche Versuche hinter mir habe. Aber reden wir Tacheles: ich habe ohnehin nur zwei Möglichkeiten.

1: ich höre auf und bleibe kinderlos

2: ich mache weiter

Da ich mich mit Möglichkeit 1 nicht arrangieren kann, bleibt nur Möglichkeit 2.  Manchmal hilft es das Ganze ganz rational zu betrachten. Für mich ist Möglichkeit 1 keine Option daher werde ich weitermachen.


Denn: Aufgeben gilt nicht!


Aber ich werde mir für einen weiteren Versuch jetzt definitiv mal Zeit lassen. Jetzt genieße ich mal den Sommer. Ganz ohne Wechseljahrsbeschwerden und Blähbauch. Ich bin doch kein Mensch gewordener Eierstock!

Auch ein unwilliger Körper braucht einmal eine Pause!

Klappe die Zweite

Im März fühlten wir uns beide stark genug für einen erneuten Versuch und so machten wir uns einen Termin bei Mr. T aus und besprachen die Vorgehensweise. Mr. T riet uns zu einem Frischversuch, da die Chance von Eskimos generell geringer ist und bei uns noch geringer, da sie sich erst kurzfristig über Nacht entwickelt hatten. An dieser Stelle fragte ich mich zwar, warum man sie dann trotzdem kryokonserviert hatte, beließ es dann aber und hakte das Ganze unter dem Kapitel "die werden schon wissen was sie tun" ab. Dieses Mal sollte ich aufgrund genau dieser späten Entwicklung andere Medikamente bekommen und so startete ich wieder mit einem Nasenspray zur Downregulierung. Die weitere Vorgehensweise habe ich ja bereits bei unserem ersten Versuch genauer beschrieben also werde ich mich unterstehen euch wiederkäuender Weise zu langweilen. Als positiven Unterschied zum ersten Versuch möchte ich aber anmerken, dass wir beide nicht mehr so nervös waren und viel weniger Druck auf uns lag. Das war ganz angenehm. Klarerweise wussten wir dieses Mal natürlich was auf uns zukam (und wir gingen klugscheißerisch davon aus, dass uns nichts Schlimmeres als letztes Mal passieren könnte). Außerdem erklärten wir uns bereit, bei einer Studie über Seminalplasmaspülungen teilzunehmen. Bei einer Seminalplasmaspülung wird der Muttermund mit Seminalplasma (Ejakulat ohne Spermien) gespült und soll die Gebärmutterschleimhaut auf das Einnisten eines Embryos vorbereiten. Die genaue Wirkungsweise ist noch nicht geklärt (daher auch die Studie), jedoch befinden sich im Seminalplasma viele Botenstoffe, die das Immunsystem der Frau positiv beeinflussen können. Sprich: man möchte wissen, ob irgendwelche Inhaltsstoffe die Gebärmutterschleimhaut auf eine baldige Einnistung vorbereiten.

"Ey Gebärmutterschleimhaut, räum mal auf und mach dich mal geschmeidig! Ein Embryo ist im Anmarsch. In spätestens 5 Tagen klopft er an deine Tür. Und wehe ich höre Beschwerden, also kümmere dich gut um ihn. Dass ich da ja nix höre!"

So in etwa.

Es lief im Großen und Ganzen wieder alles nach Norm ab und so bekam ich Ende März meinen Punktionstermin.

Sogar bei der Hinfahrt an einem Samstag waren wir noch ziemlich entspannt. Da es sich zeitlich nicht anders ausgegangen wäre, hatten wir an diesem Tag unsere "Kinder" bereits mit, was für Hasi auf alle Fälle angenehmer war. Unter meinem Pullover beförderte ich also den Plastikbecher in Alufolie gewickelt wie befohlen direkt am Körper (Körperwärme war wichtig für diese kälteempfindlichen Zwerge) in die Klinik. Dieses Mal bekam ich anstelle eines Bettes in der KiWu-Abteilung ein Bett in der Tagesklinik (kannte ich ja seit Oktober bereits in und auswendig).

Dort sollte ich einchecken, mich umziehen und dann wieder in die KiWu kommen. Gesagt getan.

Hätte ich auch nur 3 Minuten in die Zukunft blicken können, hätte ich unter keinen Umständen auch nur annähernd nach einem Morgenmantel gefragt. Doch wer kann schon in die Zukunft schauen. Also machten wir uns (untermauert von Hasi´s schallendem Gelächter) wieder auf den Weg in die KiWu-Abteilung. In meinem geborgten schweinchenrosarotem Morgenmantel, sponsered by Kinderklinik, sah ich aus wie eine schlankere Version von Cindy aus Marzahn. Das teilte mir Hasi (nach seinem gefühlten sechsten Lachanfall) auch umgehend in Anwesenheit aller anderer Personen im Warteraum mit.

Für lächelnde Gesichter war also gesorgt, jetzt konnte ich mich auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Die Punktion.

Ich kürze das Folgende jetzt einfach mal grob fahrlässig ab. Ich hatte elf Eier von denen sich neun befruchten lassen haben. Aber wer jetzt denkt: "Wow, eine tolle Ausbeute", der irrt. In den darauf folgenden Tagen passierte wieder das Selbe wie beim letzten Mal. Die Anzahl wurde weniger und weniger bis nur mehr ein Blastozyst übrigblieb. Alle anderen haben sich gar nicht oder ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr weiterentwickelt.

Ein Blastozyst. Nicht gerade eine fette Ausbeute, aber immerhin. Ich freute mich einfach, dass nicht die ganze Hormonbehandlung umsonst war.

Am Transfertag teilte mir Mr. M mit, dass mein Blasti sicherlich kein Spitzensportler wäre, aber für das österreichische Nationalteam völlig ausreichend. (Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir unser Nationalteam beim Versuch vor, den Ball im Tor zu versenken. Da hätte ich mir mein geistiges Auge am liebsten rausgerissen. Also DAS ermutigte mich nicht und sicher auch nicht unseren Blasti.)

"Irgendwie passiert immer das Gleiche", stellte ich fest.

"Was meinen Sie?", fragte mich Mr. M.

"Naja, zu Beginn sieht immer alles spitzenmäßig aus. Ich vertrage die Hormone einwandfrei, es bilden sich genügend Eibläschen, ich habe genug Eier, es lassen sich eine Menge befruchtet und entwickeln sich am Anfang auch weiter. Doch je näher wir dem Transfertag kommen, umso geringer ist die Auswahl. Und dieses Mal ist überhaupt nur einer übrig."

"Das kann eben passieren. Bis zum Blastozyst schaffen es fast nie alle. Und er ist ja nicht schlecht. Er ist eben klein und könnte besser sein."

"Ich gebe den Zwergen scheinbar zu viele Beamtengene mit auf den Weg. Alles immer schön langsam, auf keinen Fall stressen lassen", witzelte ich.

Mr. M lachte und meinte dann, dass wir dann eben auch einen Beamtentransfer machen würden.

Auch dieser Transfer war wieder ziemlich schmerzhaft für mich, da meine S-Kurve wieder das Ihrige dazu beitrug. Aber grundlegend war ich entspannter als beim ersten Mal. Da ich im Vorfeld angemerkt hatte, dass ich meine Gebärmutter nur mehr als Wohlfühloase visualisiere, legte mir die Schwester nach dem Transfer eine warme Decke über und beruhigende Musik kam aus dem CD-Player.

"Für die Wohlfühloase", grinste sie.


Nach diesem ca. 10-minütigem Entspannungszustand war der ganze Spuk auch bereits wieder vorbei, und Hasi und ich fuhren nach Hause. Kopfschwanger und glücklich.

Rückblickend bleibt nicht viel zu sagen, außer:

Versuch Nummer 2 brillierte im Großen und Ganzen durch keine besonderen Vorkommnisse. Ich war ganz einfach nicht schwanger.

Zwischendurch hätte ich zwar alles darauf verwettet es zu sein (anhand von mir wahrgenommenen eindeutigen körperlicher Symptomen), doch ich wurde wieder eines Besseren belehrt.

Der mittlerweile mikroskopisch kleine (ironische) Optimist in mir sagt:

„Immerhin ist eine Steigerungsstufe zu vermerken. Keine Bauchhöhlenschwangerschaft zu haben hat ja auch was Gutes.“

Der immer mehr überhand nehmende Pessimist in mir sagt:

„Schön langsam kann mich das Alles! Man steckt so viel positive Energie wie man nur auftreiben kann in die ganze Sache, man hält sich an jede noch so kleine Regel die einem auferlegt wird, raucht nichts, trinkt keinen Schluck Alkohol, hebt nichts Schweres, streichelt seinen Bauch, nimmt keine Vollbäder, geht nicht ins Solarium oder in die Sauna und dennoch. Wieder nichts. Was soll bei einem eventuellen dritten Versuch denn anders sein? Ich kann nicht mehr tun. Jetzt fehlt nur mehr eine gewaltige Portion Glück. Und die kann ich nicht herzaubern.“

Doch ich habe mich ziemlich schnell gefangen. Mir ging es innerhalb einiger Tage wieder gut. Hasi hat es auch schnell verarbeitet. Wir haben viel darüber gesprochen, viel Zeit miteinander verbracht und auch viel geweint. Das musste einfach raus. Wir fühlen uns jetzt noch mehr mit dem anderen verbunden als jemals zuvor. Und da er endlich über seine Gefühle spricht, ist es alleine deshalb schon ein Gewinn für mich, auch ohne Schwangerschaft.

Doch jeder in unserem näheren Umfeld wartet regelrecht nur mehr auf den großen Crash. Unseren Zusammenbruch. Und ich bin es leid, allen mitzuteilen, dass es mir gut geht. Jeder behandelt mich wie eine tickende Zeitbombe. Allzeit bereit zu explodieren. Und jetzt, wo es mir wirklich gut ging setzte etwas ein, das ich immer verhindern wollte. Es war mir so wichtig, dass ich nie so behandelt werde. Doch jetzt ist es da, unaufhaltsam breitete es sich aus: das leidige MITLEID.

Ich frage mich warum. Denn uns geht es wirklich gut. Und dennoch behandeln uns einige, als würden wir uns jederzeit mit lachenden Gesichtern von der Klippe stürzen wollen. Keine Freude am Leben mehr hätten. Schon die Blicke die wir in Anwesenheit von kleinen Kindern ernteten waren fürchterlich. Behandelt uns doch bitte ganz normal. Meine Güte. Wir sind zwar kinderlos, aber bei Gott nicht freudlos und schon gar nicht hirnlos. Ist denn das so schwierig zu verstehen? Wir sind entspannt und genießen unser Leben. Unser Leben ist auch ohne Kind lebenswert. Wir haben uns. Wir lieben uns. Ihr braucht uns nicht mit Mitleid zu überschütten.


Denn genau das hasse ich.

Ein neues Jahr – ein neues Glück?

Mein Jahresabschluss zu Silvester wurde genau so zelebriert, wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich habe 2010 zwar nicht (wie geplant) aus meinem Gedächtnis gelöscht, sondern erstaunlicherweise sehr viel daraus mitgenommen (und ich spreche nicht nur von meinem vernarbten Bauch mit lauter kleinen Schnitten, auf dem ein jeder Malen-nach-Zahlen-Fanatiker seine liebe Freude gehabt hätte). Ich bin reifer geworden, habe viel über mich erfahren, festgestellt wie stark ich bin, meine Beziehung ist noch intensiver geworden und vor allem habe ich einiges über das Leben an sich gelernt. Ich zog die sprichwörtliche Moral aus dieser Geschichte. Und wenn es eine Moral gab, dann war es wohl die: nicht alles im Leben ist planbar.

So absurd es klingen mag, doch all das Erlebte hatte etwas Gutes. Wir entkamen diesem Druck. Wir haben (auf schmerzliche Art und Weise) gelernt, die Kontrolle abzugeben. Die Kontrolle abgeben zu müssen. Auszubrechen aus diesem Rad in das man sich selber presst, sich pressen lässt, ob man will oder nicht. Von Termin zu Termin zu hetzen, Wartezeiten zu überbrücken, zu hoffen und wieder enttäuscht zu werden. Rückblickend behaupte ich sogar, dass unser erster Versuch absolut keine richtigen Emotionen mehr zugelassen hat. Wir haben nur mehr funktioniert. Ich habe nur mehr funktioniert.

Vielleicht war einfach alles Zufall, vielleicht war es aber auch ein unbedingt notwendiger Schachzug des Schicksals. Je nach Interpretation.

Durch meine eigene gewonnene Kraft und Stärke, mutierte ich zur Ansprechperson vieler Kinderloser. Nicht dass ich diese Aufgabe nicht gern übernommen hätte. Mir war nur zu Beginn nicht bewusst, wie viele Schicksale und Geschichten sich in meinem persönlichen "Kinderlos-Universum" rings um mich abspielten. Meine Bekannten und Freunde schätzten meine offene, mit schwarzem Humor vollgepumpte Art mit diesem Thema umzugehen. So fiel es auch ihnen leichter mit mir umzugehen. Viele wussten anfänglich nicht wie sie mit mir sprechen sollten. Sollten sie mich versuchen aufzubauen, sollten sie mich bemitleiden oder sollten sie sogar den Kontakt zu mir reduzieren? Manche konnten sich nach eigener Aussage nicht einmal zu einem Telefonat durchringen, aus Angst vor meinem seelischen Befinden.

Und als sie dann merkten, dass ich nicht den Kopf in den Sand steckte und ganz locker mit diesem Thema umging, waren sie alle erleichtert. Und mit der Erleichterung kam eben bei Einigen unwiderruflich der Drang sich zu offenbaren. Sich mir zu offenbaren.

"Woher nimmst du die Kraft?"

"Wie geht es dir in dieser Situation?"

"Wie verarbeitest du das?"

"Was würdest du tun?"

Solche Fragen kamen des Öfteren. Aber vor allem wollten sie darüber sprechen. Es war weniger das "wissen wollen" sondern mehr das "endlich einmal mit einer Gleichgesinnten sprechen". Mir ging es ja nicht anders. Für mich war meine Offenheit diesem Thema gegenüber - sei es das Schreiben oder das offen Aussprechen - meine Therapie. Und ich verstand diejenigen, die mir jetzt ihr Herz ausschütteten. Ich verstand sie nur zu gut. Es interessierte ja auch mich wie es Anderen ging. Ganz unterschiedliche Menschen, ganz unterschiedliche "Krankheitsbilder", ganz unterschiedliche Familienverhältnisse, ganz unterschiedliche partnerschaftliche Unterstützung oder auch ganz unterschiedliche Meinungen über künstliche Befruchtung im Allgemeinen. Nicht alle kinderlosen Paare in meiner Umgebung waren auch gewillt eine künstliche Befruchtung in Betracht zu ziehen. Manche waren absolut gegen diese Möglichkeit, trotz riesigem Kinderwunsch. Ich respektierte alle Meinungen, aber verstanden habe ich nicht alle. Ich wollte auch keinen bekehren. Immerhin hatte ich mit meinen bisherigen Erfahrungen jetzt nicht unbedingt starke, aussagekräftige PRO-Künstliche-Befruchtungs-Argumente in petto. Meine Geschichte war zwar nicht die typische "ein Fall wie aus dem Leben gegriffen"-Variante, aber dennoch möglich. Und gute Tipps oder Vorschläge einzubringen stand mir sowieso nicht zu. Also ließ ich das mal schön bleiben.

...dann setzte ich noch gewaltig einen drauf

Am Sonntag, zwei Tage nach Verabreichung von Methotrexat, hatte ich bereits am Morgen leichte Unterleibsschmerzen. Deswegen machte ich mich wieder einmal im Internet über dieses Medikament schlau. Ziemlich schnell war meine Besorgnis über Bord geworfen, denn genau meine Empfindungen wurden als Nebenwirkungen beschrieben und waren für mich aufgrund der Erklärung auch plausibel. Immerhin wurden die restlichen Zellen sozusagen durch einen Bluterguss abgekapselt bevor sie "abtransportiert" wurden. Für mich als Laie reichte das voll und ganz aus. Somit konnten wir (Hasi und meine Schwiegermutter) getrost zu Mittag in unsere Stammpizzeria fahren.

Ich hatte immer noch leichte Schmerzen, aber die waren erträglich. Als ich meine Lieblingspizza vor mir auf dem Tisch stehen hatte, garnierte ich sie in gewohnter Manier mit Chili und Knoblauch in rauen Mengen und ließ sie mir schmecken.

Den darauf folgenden Schweißausbruch schob ich noch auf meine doch etwas zu gut gemeinte Extrabeilage. Als die Schmerzen dann aber unerträglich wurden, das Atmen schwer fiel und ich Hasi gegenüber doppelt sah, war mir klar: das lag nicht an der Schärfe. Ich konnte kaum noch sitzen, mir war schwindelig, ich schwitzte. Kurz: es ging mir beschissen. Ich wollte nach Hause. So schnell wie irgend möglich wollte ich mir eine (oder fünf) Schmerztablette(n) einwerfen und mich hinlegen. Aufstehen war schier unmöglich und so trugen mich der Pizzeriabesitzer und Hasi direkt zum Auto und ich wurde trotz meiner Einwände nicht nach Hause, sondern in die Klinik gebracht. Schumi hätte angesichts Hasi´s Bleifuss einpacken können. Was mir nur recht war, denn zu diesem Zeitpunkt saß ich mit geschlossenen Augen im Auto und hatte kein Gefühl mehr in meinen Armen und Beinen. Das Einzige das ich wahrnahm (und das versetzte mich in Panik) war das Pumpen von Blut in meinen Bauchraum. Was sich im Nachhinein als richtig erwies. Die geschlossenen Augen waren ein Selbstschutz, denn ich wollte gar nicht wissen wo wir uns auf dem Weg in die Klinik erst befanden. Ehrlich gesagt glaubte ich nicht daran, rechtzeitig dort anzukommen. Meine Schmerzen waren bestialisch.

Irgendwann kamen wir doch ans Ziel, wo zufällig zwei Rettungssanitäter vorm Eingang standen, die mich dann mit dem Rollstuhl hineinbrachten. Dann ging alles recht schnell. Kurze Untersuchung (ich brauche wohl nicht erwähnen wie schmerzhaft diese Ultraschalluntersuchung in meinem Zustand war) und fertig ausgezogen wurde ich erst im OP. Mein Gott: mein Leben ohne Tragik wäre wohl wie Ernie ohne Bert oder Thelma ohne Louise. Undenkbar!

"Glück gehabt", war mein erster Gedanke als ich aufwachte.

Was war passiert? Das Medikament hat die Überbleibsel derart vergrößert, dass mir fast der Eileiter geplatzt wäre und im Bauchraum war tatsächlich bereits Blut (ich hatte mich also nicht getäuscht). Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie derartige Schmerzen. Nein. Definitiv noch nie.

Es dauerte Tage bis sich Hasi aus seinem Schockzustand erholt hatte. Stündliche Anrufe von ihm und meiner Mutter standen (verständlicherweise) an der Tagesordnung.

"Wie geht es dir?"

"Gut danke."

"Das hast du letztens auch gesagt!"

"Was möchtest du denn hören?"

"Dass es dir gut geht."

"Mir geht es gut."

Ich musste sogar telefonisch ankündigen wann ich duschen ging, denn wenn genau in dieser Zeit jemand angerufen hätte und ich nicht abgehoben hätte...Katastrophe! Aber ehrlich gesagt hatte ich selbst auch gelegentlich ein flaues Gefühl im Magen. Das band ich aber niemandem auf die Nase. Das war mein kleines Geheimnis. Die Starke hatte Schiss. Nein, das durfte niemand wissen.

Liebes 2010-Jahr.  

Jetzt reicht es aber wirklich mal. Mein Ego ist ja bereits zerbröselt. Du musst nicht auch noch Feinstaub daraus machen.

Beste Grüße

Snoopy und andere Peinlichkeiten

Es wurde echt langweilig. "Und täglich grüßt das Murmeltier" kam mir grob abwechslungsreich vor gegen meinen momentanen Tagesrhythmus. Wieder in die Klinik. Wieder zur Aufnahme. Wieder ein kleines Späßchen über mein fast schon tägliches Erscheinen. Wieder warten. Der einzige Unterschied war, dass die Schwestern offenbar bereits Mitleid mit mir hatten und sich die Wartezeit dadurch drastisch verkürzte. Mein persönlicher Mitleidsbonus wenn man so will. Nein, einen Unterschied gab es noch: dieses Mal musste ich nichts abgeben sondern bekam zur Abwechslung mal Etwas. Nämlich mein Methotrexat.

Ich wurde also relativ schnell in einen der Behandlungsräume gerufen und stülpte mir augenblicklich meinen Pulloverärmel nach oben. Dieses Ritual kannte ich ja bereits. Und dann wurde es so richtig schön peinlich.

Ein Assistenzarzt der ganz feinen Sorte betrat das Behandlungszimmer. Oh mein Gott. Optisch ein klassischer Tagesverbesserer. Er für mich. Unter Garantie nicht ich für ihn, denn ich sah aus wie durchgekaut und ausgekotzt. Immer noch einen aufgeblähter Bauch vor mir her schleppend, eine Trainingshose mit ausgedehntem Gummizug, Pickel, Ringe unter den Augen etc. Ja was soll´s. Ich war eben nicht in Bestform. Egal. Der war sicherlich einiges gewohnt.

"Nein. Nicht in den Arm", murmelte der schokobraune Assistenzarzt beim Anblick meines freigemachten Unterarms.

"Hä?"

"Nicht in den Arm. Legen sie sich bitte hier auf den Bauch und machen sie ihren Po frei."

Ach du scheiße. Das fehlte jetzt noch.

Ausgerechnet heute morgen hatte ich mich todesmutig für einen jener Slips entschieden, der jede Dessousverkäuferin in den Freitod getrieben hätte. Snoopy blickte ziemlich ausgewaschen und gleichermaßen ausgeleiert von meinem viel zu großen (aber gemütlichen) Blähbauchslip. Ich grinste also ziemlich dumm, legte mich hin und ließ alles mit hochrotem Kopf über mich ergehen. Dann wollte er noch meine Narben begutachten (die auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen konnten) und Fäden entfernen. Irgendwann hatte ich meinen peinlichen Auftritt dann hinter mich gebracht und versuchte die Stimmung mit einem kleinen Scherzchen etwas angenehmer und nicht ganz so frustrierend zu gestalten.

"Ich hoffe wir sehen uns heuer nicht mehr, also frohe Weihnachten und einen guten Rutsch", sagte ich Mitte November und ging automatisch davon aus, dass dieser hübsche junge Mann meinen Seitenhieb auf die ständigen und immer wiederkehrenden Krankenhausbesuche meinerseits verstanden hätte.

Doch er starrte mich nur an.

Na gut. Dann eben nicht. Hauptsache raus hier. Den  angeordneten Bluttest in einigen Tagen brauche ich wohl nicht extra erwähnen, der versteht sich von selbst. Ich hatte es überstanden. Mein Körper würde die überschüssigen Zellen in meinem Eileiter dank dieses Medikamentes ausstoßen und ich konnte endlich an ein Ende dieses Martyriums denken.

Dachte ich. Denn....

Vom Glück schier erschlagen

Man, bin ich froh, dass ich mir einen dicken Schmöker zum Lesen mitgenommen habe. Den Umständen entsprechend habe ich mich für "Nicht mein Tag" entschieden. Aber dass ich damit den Nagel so dermaßen auf den Kopf treffen würde, damit hatte ich bei meiner Buchwahl am Morgen noch nicht gerechnet. Außerdem schleppte ich bereits eine Reisetasche mit mir rum. Von A wie Augencreme bis Z wie Zahnbürste alles inklusive. Es mag vielleicht für die Ambulanzschwestern ein etwas verqueres Bild abgegeben haben, dass ich zur Blutabnahme mit meiner Reisetasche erschien, aber das war mir zu diesem Zeitpunkt egal.

Ich war so ziemlich die Erste als ich mich zum Anmeldeschalter begab. Nicht nur, dass ich für die Schwestern keine Fremde mehr war, nein, sie kannten mich sogar schon beim Namen.

Merke: wenn dich die Schwestern in einer Krankenhausambulanz bereits beim Namen nennen können und dein Akt griffbereit ist, dann ist das kein gutes Zeichen.

Kurz nach meiner Anmeldung wurde ich bereits aufgerufen und zur Blutabnahme geholt. Offenbar wollten sie den am Vortag festgestellten Werteanstieg des HCG mit einer weiteren Probe untermauern. Mein Blutröhrchen kam in eine Transportbox und wurde mit dem Vermerk "EILT" Richtung hausinternem Labor verschickt. Ich fragte noch wie lange es wohl dauern würde und setzte mich wieder in den Warteraum um in meinem Buch zu Lesen. Vielleicht sollte ich auch erwähnen, dass ich nüchtern war und nichts lieber getan hätte, als mir einen leckeren Cappuccino zu gönnen. Da es aber sein konnte, dass ich schon in einer guten Stunde wieder am Operationstisch liegen würde, sollte ich diesbezüglich aber keinen trinken.

Also machte ich es mir im Warteraum gemütlich und las. Und las. Und las. Ich bin generell ein nicht sehr geduldiger Mensch, aber als ich nach einer Stunde mal vorsichtig nach meinen Ergebnissen fragte und eine negative Antwort diesbezüglich bekam, wurde ich schon ein wenig hibbelig. Immerhin ging es ja nicht nur um meine Ergebnisse. Der komplett weitere Verlauf dieses Tages hing von diesen Werten ab. Musste ich operiert werden? Und wenn ja, wann? (und vor allem nicht zu unterschätzen waren mein mittlerweile nicht mehr auszuhaltender Hunger und vor allem Durst). Ich setzte mich also (bereits leicht genervt) auf meinen Platz und wartete weiter. Patienten kamen und gingen. Ich wartete immer noch. Nach 1,5 Stunden holte mich die Schwester zu sich. "Endlich", dachte ich und freute mich über die überstandene Wartezeit. Aber was jetzt kam, dass war zu viel für mich. Ich nahm mein doofes Schicksal ruhig und gelassen hin. Operation über Operation, Hiobsbotschaft über Hiobsbotschaft. Aber jetzt war ein Punkt erreicht an dem ich feststellen musste, dass meine Nerven nicht aus Stahl waren. Nein, irgendwann war Schluss mit lustig.

Auf der nach oben offenen "wie absurd kann mein Leben noch werden" – Skala erreichte DAS einen neuen Topwert.

DIE HATTEN TATSÄCHLICH MEIN BLUT VERLOREN!

Die Schwester entschuldigte sich gefühlte zwei Millionen Mal. Und dennoch: ich war kurz vorm Explodieren. Wie schwer kann es bitte sein eine thermoskannengroßen Gegenstand mit der Aufschrift "LABOR" und "EILT" eilig ins Labor zu befördern? Ach Mensch. Wie dumm kann man sein?

Ich weiß, ich weiß. Richtet nicht damit ihr nicht gerichtet werdet. Aber ich wollte richten, und zwar hin.


"Das ist wirklich peinlich, aber glauben sie mir: das passiert gerade Mal zwei Mal im Jahr", kommentierte die Schwester.

"Prozentuell gesehen wäre das wohl echt nicht viel", blökte ich zurück und blickte zynisch in Mr. T´s Augen, der mittlerweile diesem Schauspiel beiwohnte. Er kannte sich sofort aus auf was ich anspielte und versuchte mich zu beruhigen.

"Was machen wir jetzt? Ich kann nicht von ihnen verlangen, dass sie sich ein weiteres Mal stechen lassen."

"Ach bitte, auf einen Stich mehr oder weniger kommt es bei meinen Armen auch nicht mehr an. Vielleicht sollte ich jedoch die Probe persönlich ins Labor bringen." Ich hoffte, dass er den Zynismus bemerken würde.

"Na gut, dann schicke ich ihnen dann noch mal die Schwester. Ich würde Ihnen übrigens gerne eine weitere Operation ersparen. Doch wir müssen handeln, denn ihre Werte sind wieder gestiegen und restliche Gewebeteile sind offenbar weitergewachsen. Das haben sie ja bereits am Telefon erfahren. Es gibt ein Medikament namens Methotrexat. Dieses Medikament verhindert die Produktion von neuen Zellen und stoppt das Wachstum. Die Verabreichung des Medikamentes erfolgt mittels einer intramuskulären Injektion. Die Eileiterschwangerschaft wächst auch häufig noch in der Größe. Dies ist wahrscheinlich das Resultat eines Blutergusses und weniger eines wirklichen Wachstums der Schwangerschaft. Wir müssen es bestellen. Wenn sie morgen noch einmal vorbeikommen könnten, dann spritzen wir es ihnen. Dann haben sie es überstanden."

"Das wäre schön."

"Gut, dann sehen wir uns morgen wieder."

Und so verließ ich nach eindeutig zu vielen Stunden die Klinik. Auf der einen Seite froh einer weiteren Operation entgangen zu sein, auf der anderen Seite erschüttert, was mir wieder alles passiert war. Die Neuigkeiten wurden prompt wieder unter die Massen (Hasi, Eltern, engste Freunde und Kollegen) gebracht. Manche (mich eingeschlossen) fanden es wirklich schon absurd was hier vorging. Meine Kollegin meinte sogar, sie traue sich schon gar nicht mehr beim Telefon abheben, denn ich hatte immer noch schlechtere und noch unglaubwürdigere Nachrichten. Ja, ich empfand es auch bereits so. Aber zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nichts vom weiteren Verlauf. Alles bisherige war dagegen ein Kindergeburtstag (ein ziemlich wagemutiger Vergleich – ich weiß). Pipifax. Nicht der Rede wert. Ich hatte ja keinen blassen Schimmer was die nächsten paar Tage noch für mich in petto hätten.

Das nenne ich mal Geschwindigkeit

Es wäre eigentlich an der Zeit schreiend im Kreis zu laufen oder sich aufgrund eines massiven Nervenzusammenbruchs a la Britney Spears den Kopf kahl zu rasieren.

Doch nichts passiert.

Ich nehme es auf meine Kappe. Gut es bleibt auch gar nichts anderes übrig. Ich habe es herausgefordert. Blättert ein wenig zurück. Dann wisst ihr von was ich spreche. Blättert zurück und lest noch mal die Stelle, an der ich Mr. T bitte, mir nicht mit prozentuellen Thesen zu kommen (die Geschichte mit den Gewebeteilchen). Zack die Bohne! Respekt 2010. Speedy Gonzales kann einpacken. Hut ab.

Du bist schnell. Verdammt schnell. Aber ich habe dir ja gesagt, dass du nur mehr 1,5 Monate Zeit hast. Das hat dich offenbar inspiriert. Zwei Tage ist eine echt respektable Zeit.

Ich habe heute morgen betreffend meinen Blutwerten in der Klinik angerufen. Gestern war mein erster Bluttest nach der OP. Die Schwester meinte am Telefon, dass der Befund noch beim Arzt liegen würde und ich zu Mittag noch einmal anrufen sollte. Das kam mir bereits spanisch vor und ich teilte meine Skepsis auch umgehend Hasi mit.

Um kurz nach 11 Uhr teilte mir dann der Oberarzt am Telefon mit, dass mein HCG-Wert wieder gestiegen sei. Ich solle morgen früh nüchtern erscheinen. Wenn bei der erneuten Blutabnahme wieder keine HCG-Senkung zu vermerken ist, dann wären wohl tatsächlich noch Gewebeteile im Eileiter und ich müsste erneut operiert werden.

Unser Houdini hatte es also nicht nur geschafft sich in einen unbrauchbaren Eileiter einzunisten und sich von dort in meinen Bauchraum heraus zu manövrieren, er hinterließ auch noch (für meinen Geschmack ziemlich unangebrachte) Andenken an sich selbst.

Und dennoch. Ich ruhe in mir. Kein Nervenzusammenbruch in Sicht. Kein Zweimillimeteraufsatz in greifbarer Nähe. Ich bin die Ruhe in Person. Ich nehme es einfach an.

Ich kann nur erahnen was ich aus diesem Tief, aus dieser trostlosen schweren Zeit für mich mitnehmen und lernen soll. Die Schlinge muss sich anscheinend richtig fest zuziehen bevor wieder bessere Zeiten kommen. Man muss bis zum Hals in der Scheiße stecken um im letzten Moment Auftrieb zu bekommen. Wir arbeiten scheinbar eine ziemlich große Prüfung ab.

(Ich warte auf den Auftrieb! Hallo? Hört mich jemand? Auftriiiiieb!!!)

Ich packe sicherheitshalber alles zusammen, denn seien wir uns ehrlich:

Die Chance morgen nicht operiert zu werden geht gleich Null.

Ich bereite mich darauf vor. Aber es ist nicht schlimm. Keineswegs.

Und außerdem: wenn wir jetzt resignieren, kommen wir unserem Wunschkind auch nicht näher.

Packen wir es an! Ich bin bereit. Ich nehme es an!
 

Stimmung: (erstaunlicherweise) optimistisch und ich denke, dass ich Mr. T morgen mitteilen werde, dass ich froh wäre ihn heuer nicht mehr zu sehen

2010 - ich scheiß auf dich

Ich werde beginnen Lotto zu spielen. Denn wenn es darum geht geringst mögliche Chancen auszunutzen, bin ich wohl ein echter Gewinnertyp.

Meine Operation verlief gut. Wenn man von gut sprechen kann. Mr. T kam zur Visite am Samstag extra in die Klinik und erklärte mir, was bei mir gemacht worden war. Ich wusste bereits vorher, dass auch eine Curettage (Gebärmutterausschabung) bei mir gemacht werden musste, also überraschte mich diese Information nicht mehr.

„Die OP verlief gut. Aber es war doch anders als erwartet. Der Embryo hat sich bei ihnen im Bauchraum eingenistet. Vom Eileiter in den Bauchraum, denn im Eileiter war ein kleiner Riss. Sie hatten eine Bauchhöhlenschwangerschaft. Die Chance darauf beträgt gerade mal zwei Prozent (wenn überhaupt). Es tut mir leid. Sie wollen das vielleicht jetzt nicht hören, aber man muss die Situation trotzdem als positiven Schwangerschaftsverlauf betrachten. Wir wissen jetzt, dass sich bei ihnen etwas einnisten kann und auch etwas wachsen kann. Also müssen wir es als positiv ansehen. Auch den Fond betreffend wird es als positiv gewertet und somit beginnen sie wieder bei Null.“

Was sollte ich darauf wohl sagen? Ich nickte nur ungläubig.

„Kommen sie bitte Dienstag und Freitag noch einmal zum Blutabnehmen. Wir müssen das Schwangerschaftshormon noch im Auge behalten. Es könnte nämlich sein, dass sich noch irgendwo kleinste Gewebeteile befinden, die noch weiterwachsen könnten. Aber prozentuell ist diese Möglichkeit sehr sehr gering.“

„Lassen wir das bitte mit den Prozenten bei mir. Mein Körper schafft offenbar alles.“

Da musste sogar Mr. T lachen. Hätte ich nicht solche Schmerzen gehabt, ich hätte mich angesichts der Situation echt weggeschossen. Mein Galgenhumor. Der verlässt mich Gott sei Dank nie. Hasi und ich beschlossen dann, dass dieses Kind (wenn es sich entwickelt hätte) wohl alleine für den Schulweg schon ein Navigationsgerät gebraucht hätte. Es hätte höchstwahrscheinlich nie nach Hause gefunden. Immerhin hat es sich auch in mir verlaufen. Und da hätten wir ihm durch den Transfer in die Gebärmutter wirklich schon alles regelrecht vorgekaut. (diese Sichtweisen halfen uns über das Schlimmste hinweg)

Hasi machte sich eigentlich nur um mich Sorgen. Natürlich nahm ihn auch die Situation mit, aber im Großen und Ganzen war er einfach froh, dass ich gesund war.
Am nächsten Tag konnte ich bereits nach Hause gehen. Das war für mich das Wichtigste. Keinen Tag länger wollte ich hier dahinvegetieren. (Nichts gegen die Klinik. Alles war spitze. Die Schwestern an Freundlichkeit nicht zu überbieten, leckeres Essen und als Klassenpatientin ging es mir sowieso gut.)

Aber daheim ist eben daheim.



Mein Fazit:

Ich personifiziere das Jahr 2010. Ich mache es zu meinem persönlichen Feind. Denn nur so kann ich diesem Jahr Paroli bieten. Und das werde ich.

Die Tage im Krankenhaus haben mich in keinster Weise geschwächt. Nur das Warten auf die Operation hat an meinen Kraftreserven gezerrt. Ich wusste, es ist etwas in meinem Körper. Aber an der falschen Stelle. Ich wusste es lange bevor ich den medizinischen Beweis dazu hatte. Lange bevor die Ärzte sich sicher waren. Und ich wollte es weghaben. Raus aus meinem Körper. Es war ein Fremdkörper in mir. Jede Faser meines Körpers schrie „entfernt es“. Ab dem Zeitpunkt der OP ging es mir wieder gut. Ich war erleichtert. Und jetzt bin ich stark. Ich habe Kraft gesammelt. Ich weiß nicht woher die Kraft kommt, aber ich habe sie dankbar entgegengenommen. Komme was wolle. Ich schaffe alles. Komm her 2010. Was hast du noch für mich in petto? Her damit. Du hast noch genau 1,5 Monate um mir noch etwas reinzuwürgen. Und es wird dir schwer fallen. Denn ich schließe ab. Es wird dieses Jahr keinen zweiten Versuch mehr geben. Ich gönne mir und meinem Körper eine Pause. Für heuer ist es genug. Genug an Vollnarkosen, Transferen, Punktionen und Hormonen. Genug an Wartezeiten und Tiefschlägen. Kein Krankenhaus wird mich das restliche Jahr mehr von innen sehen. Ich lasse das Jahr mit einem Wellnessurlaub, Weihnachtsmärkten und Spaß ausklingen. Schmerzen haben keinen Platz mehr. Also beeile dich. Denn zum Jahreswechsel wirst du ausgetauscht. Entsorgt. Vergessen. Ich werde mein Gehirn zum Jahreswechsel einfach neu aufsetzen. Und wenn es der Jahreswechsel nicht schafft, dann helfe ich mit Alkohol nach. Ich habe mir geschworen, dass ich dich abschließe. Nicht wie alle Anderen ein Jahr abschließen. Nicht nur eine neue Jahreszahl schreiben. Nein. Ich werde den Jahreswechsel heuer voller Zuversicht zelebrieren. Wir werden ihn zelebrieren. Denn Hasi und ich sind gewachsen und wir freuen uns auf das neue Jahr. Und wer weiß. Vielleicht machen wir den zweiten Versuch überhaupt erst später. Wir wissen es noch nicht. Wir brauchen Erholung und eine Pause. Und die gönnen wir uns jetzt.
Also hör mir jetzt genau zu 2010:

ICH SCHEISS AUF DICH!

Wieder einmal ist jemand schwanger. Dieses Mal jedoch keine Freundin (die werden auch schön langsam rar) sondern eine Nachbarin. Extra erwähnenswert deshalb, da ich sozusagen direkt bei der Zeugung dabei war, denn hierbei stieß die Gute in Frequenzbereiche vor, bei denen man den Verstand verlieren kann. Gratulation an dieser Stelle. Stellt euch ein freundliches Händeschütteln vor.

Und wenn du denkst: was soll jetzt noch passieren…

...kotzt dir das Leben noch einmal so richtig schön vor die Füße.

Ich bin wieder zu Hause. Endlich. Von wo zu Hause werdet ihr euch fragen. Tja. Lustige Geschichte. Hört sie euch an. Aber vorweg möchte ich eines erwähnen: alle, die nicht auf unglaubwürdige Geschichten und Märchen stehen, sollten jetzt besser aufhören zu lesen. Das glaubt ihr mir nie.

Es war am Dienstag. Schon den ganzen Vormittag über hatte ich ein komisches Gefühl. Ich saß mit ziemlichen Unterleibsschmerzen in der Arbeit und konnte mich zeitweise gar nicht bewegen. Als nach dem Mittagessen auch noch mein Kreislauf verrücktspielte, entschied ich mich nach Hause zu fahren. Und fragt mich nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl in mir, dass ich mir einen Schwangerschaftstest besorgen sollte. Keine Ahnung wieso. Ich hatte mittlerweile die Feinfühligkeit eines Seismographen für die Dramen in meinem Leben entwickelt. Ein spezielles Dramennäschen. Intuition nehme ich mal an. Gesagt getan. Sofort als ich zu Hause war, las ich (auch rein intuitiv) im Internet über Mutterbänder und Eileiterschwangerschaften nach. Dann machte ich den ersten Test. Positiv. Dann machte ich den zweiten Test. Positiv. Ich war eigentlich nicht mal überrascht und freute mich auch nicht darüber. Ich wusste sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Ich informierte umgehend Ela, dann rief ich sofort in der Kinderwunschklinik an und machte mir für den darauffolgenden Tag einen Termin aus.

Ich war trotzdem ziemlich verwirrt. Gedanklich befand ich mich irgendwo zwischen Eileiterschwangerschaft, einem Wunder und der Frage, wie viel Pech man in einem Jahr wohl haben könnte. Hasi wollte ich mit diesen Dingen noch gar nicht belasten und erzählte ihm erst mal nichts davon. Ich versuchte einfach schnell zu schlafen und mich nicht verrückt zu machen.

Am nächsten Morgen fuhr ich also mit zwei positiven Schwangerschaftstests in die Klinik. Eine der Schwestern schickte mich auch gleich um eine Urinprobe und wir machten zusammen auch noch einmal einen Pinkeltest. Oh welch Wunder – auch der war positiv. Sie nickte mir nach dreiminütiger Wartezeit freudig zu und holte mich zu ihr.

„Gratuliere, Sie sind wirklich schwanger.“
„Ich weiß.“
„Wir machen jetzt noch einen Bluttest und dann kommen Sie noch zur Untersuchung.“
„Was passiert bei einer Eileiterschwangerschaft?“
„Ach, wir wollen doch nicht vom Schlimmsten ausgehen, oder?“

Etwa eine halbe Stunde später meinte sie mit gesenktem Haupt: „Als ob Sie es gewusst hätten.“

Aber weiter im Programm.
Eine Ärztin holte mich dann zum Ultraschall und bestätigte mir das ohnehin bereits Geahnte. Nicht nur, dass man absolut nichts in der Gebärmutter sehen konnte, sie (die Gebärmutter) war auch nicht auf eine Schwangerschaft vorbereitet (das sah man an den Schichten). Die Ärztin drückte mir dann noch mächtig in meinen Bauch, während sie mir das Ultraschallgerät auf Biegen und Brechen in meinen Unterleib rammte. Irgendwann fragte sie mich, ob ich dabei einen Schmerz empfinden würde. Ich erklärte ihr dann ganz freundlich, dass ich auch im gesunden Zustand bei dieser Art der Untersuchung Schmerz empfinden würde. Lange Rede kurzer Sinn. Sie entdeckte eine Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, eine Zyste in der Gebärmutter und definitiv keine gesunde Schwangerschaft. Eine Eileiterschwangerschaft im linken Eileiter war sehr wahrscheinlich.

Dann ging alles sehr schnell. Ich durfte nicht einmal mehr nach Hause fahren um mir ein paar Dinge zu holen. Vorsorglich (auch intuitiv) hatte ich bereits meine Zahnbürste und mein Handyladegerät eingepackt und meinem Hasen Bernhard eine mehrtägige Futterration in seinem Käfig hinterlassen. Ein paar Informationsanrufe (Hasi, Mum, Arbeitskollegin, Ela) später befand ich mich bereits in der Aufnahme und wurde auf die Pränatalstation gebracht.

Kurze Zeit später war auch schon meine Mum da und wir heulten eine Runde um die Wette. Wir konnten es beide kaum glauben. Die Situation war aber auch wirklich dementsprechend unglaubwürdig. Nicht nur, dass unser erster Versuch einfach nicht geklappt hatte. Nein. Wir bekamen wieder einmal einen extra Minuspunkt und schafften mit meinen unbrauchbaren Eileitern doch noch eine Eileiterschwangerschaft. Für das waren meine nutzlosen Schnüre nicht nutzlos genug. Jedes blinde Huhn findet mal ein Korn – oder so.

War es schon zu spät einfach nach Hause zu gehen, mich in mein Bett zu kuscheln und mich mit der Frage zu beschäftigen, wie ich jemals wieder glücklich würde leben können, ohne mich mit Psychopharmaka vollzupumpen?

Ich sollte zwei Tage zur Kontrolle in der Klinik bleiben bis man am Freitag anhand der neuen Blutwerte mehr sagen konnte. Die Ärzte waren sich (im Gegensatz zu mir) nämlich noch nicht sicher, ob es nicht doch eine gesunde Schwangerschaft sein könnte.

Die nächsten zwei Tage verbrachte ich damit, dass ich mir aus einer Mischung aus mir völlig unbekannten Ärzten und Hebammen sagen ließ, dass man noch nichts Genaues sagen konnte. Jedes Mal, wenn einer dieser gnadenlosen Optimisten (von mir auch Dummschnösel genannt) auch nur annähernd versuchte mir Hoffnung zu machen, bekam ich Aggressionen. Mal hielt man das Schwangerschaftshormon für „im Normalbereich“, mal war es absolut normal, dass man zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft noch nichts in der Gebärmutter erkennen konnte. Ein anderes Mal wies die Flüssigkeitsansammlung in meinem Bauch auf eine eventuelle Schwangerschaft hin. Der Spruch „ist das ihre erste Schwangerschaft“ wurde von mir nur mehr mit den Worten „wenn sie es als Schwangerschaft bezeichnen, ja dann ist es meine Erste“ erwidert. Leute. Echt. Tut mir den Gefallen und seit realistisch. Zieht einen Schlussstrich. Genau wie ich.

Nach zwei endlos erscheinend langen Wartetagen war es endlich soweit. Am Morgen wurde mir wieder Blut abgenommen um das Schwangerschaftshormon zu beobachten. Nur ein rapider Anstieg würde auf eine gesunde Schwangerschaft hinweisen. Gegen Mittag kam er dann. Mein Held. Mr. T. Er war der Einzige, der den Arsch in der Hose hatte mir zu sagen, dass ich von einer gesunden Schwangerschaft weit entfernt war.

„Ihre Werte sind katastrophal. Wir werden heute noch operieren.“
„Danke, das wollte ich hören.“
„Das wollten sie hören?“
„Ja, endlich kann ich gedanklich damit abschließen. Machen sie es bitte weg. So schnell wie möglich.“

Und so kam es dann auch.

Als die Entscheidung fiel mich zu operieren, hatte ich natürlich bereits gefrühstückt, und so kam eine Schwester in mein Zimmer um mir einen Einlauf zu verpassen. Wenn ich anmerken darf: nicht lustig. Und wenn ich noch etwas anmerken darf: traut niemandem. Die Einlaufschwester war sich ihrer Sache eindeutig sicher. Die ganze Aktion dauerte nicht länger als eine Minute. So erschien es mir zumindest.

„Ich komme in zwanzig Minuten wieder vorbei“, sprach sie und ließ mich in meiner Panik zurück. Ich lag da also. Unwissend. Mit meinem allersten Einlauf in meinem ganzen Leben. Die ersten zehn Minuten waren ja noch halbwegs erträglich. Jede weitere Minute die verging, brachte mich zu der Annahme, das mir der Hintern beim nächsten Atemzug explodieren würde. Wie sollte ich das bloss noch weitere zehn Minuten aushalten?

Als nach insgesamt fünfzehn Minuten eine andere Schwester mein Zimmer betrat, fragte ich mit gequälter Stimme, ob ich nicht doch schön langsam aber sicher mal auf die Toilette gehen dürfte.
„Wie lange warten sie denn bereits?“
„Ich würde sagen fünfzehn Minuten (eigentlich brauchte ich nicht zu schätzen, ich wusste haargenau wie lange ich und mein Schließmuskel diesen intensiven Gedankenaustausch hatten).“
„Fünfzehn Minuten? Bitte gehen sie“, schrie sie mich regelrecht an.

Ich hatte eine Mission. Du schaffst das. Du schaffst es noch bis zur Toilette. Bemühe dich. Doch es war eher Mission Impossible. Ein Schritt mehr hätte fatal geendet.

Die Erlösung folgte binnen einer Nanosekunde. Ohne Scheiß (wie treffend), ich war vor lauter Wohlgefühl kurz davor in ein Spontankoma zu fallen. Als ich (verstört aber sichtlich erleichtert) aus der Toilette kam, fragte mich die nette Dame, warum ich denn so lange gewartet hätte.

„Ihre Kollegin meinte, sie käme in zwanzig Minuten wieder. Ich bin davon ausgegangen, dass ich dieses Teufelszeug auch so lange in mir behalten sollte. Ich konnte ja nicht wissen…also…war ja mein Erster…ich hatte ja noch nie die Ehre. Und sie können mir glauben: das war keine leichte Aufgabe.“

„Aha“, sagte sie und man sah ihr an, dass sie ganz offensichtlich versuchte, nicht an lockere Schrauben zu denken.

Nach meiner Bekanntschaft mit Dr. Po-Explosion wurde ich
nach unten gebracht und eine halbe Stunde später war ich bereits auf dem Operationstisch. Vielleicht versteht ihr mein Verhalten nicht. Aber es ging mir gut. Ich konnte abschließen. Mich frei machen. Vor allem hatte ich auch bereits die ersten Schwangerschaftsanzeichen. Spannungsgefühl in den Brüsten, sensible schmerzende Brustwarzen, ja ich war eben schwanger. Mein Körper hatte nur nicht geschnallt, dass ich an der falschen Stelle schwanger war. Er verhielt sich einfach so, wie es ihm wahrscheinlich beigebracht worden war.

Schwangerschaftsmodus ein -  volle Kraft voraus.
Und nur diese OP konnte ihn bremsen.

Freundin 3 + 4 schwanger!

The show must go on

Ja das war er nun. Unser hoffnungsgetränkter Versuch Nummer 1. Vorbei. Uns wurde auf sehr schmerzhafte Weise klargemacht, dass das Leben wirklich kein Ponyhof ist. Jetzt sitze ich hier in unserem Wintergarten und schreibe. Ich stelle mir zum wiederholten Mal dieselbe Frage. Wie geht es jetzt weiter? Für diese Frage habe ich mir auch schon eine Antwort überlegt. Es muss weiter gehen. Wir werden uns wieder vermehrt auf unserer Baustelle (nicht meine Körperliche, sondern die am Haus) ablenken und versuchen mal ein wenig Abstand von diesem Thema zu bekommen. Klingt zwar einfach und logisch, aber wie die Umsetzung zu bewältigen ist, das weiß ich noch nicht so genau. Ich möchte die nächsten paar Wochen mal wieder für mich leben. Für meine Partnerschaft, für meine Freunde und für meine Familie. Ich will Sex haben weil es Spaß macht und weil wir uns lieben, und nicht weil wir uns fortpflanzen wollen. Möchte nicht für meine Gebärmutter, meine Wunschvorstellungen und meine ausgereizte Schmerzgrenze leben. Ich möchte mal wieder ganz ich sein. Ich pur. Das tun was mir Spaß macht.

Was aber, wenn ich erst wieder austesten muss, was mir Spaß machen könnte. Denn Spaß stand in den letzten paar Wochen nicht unbedingt an der Tagesordnung. Wohl ein Scherzchen da und dort. Aber die lebenslustige Ulknudel die ich vorher war, die gibt es zur Zeit nicht. Aber die hole ich jetzt wieder hervor. Sie befand sich jetzt lange genug am Abstellgleis. Ich hatte mein Leben völlig umgekrempelt und auf eine etwaige Schwangerschaft ausgerichtet. Habe Vorhaben verschoben oder gar abgesagt. Man beeinflusst sein ganzes Leben, weil man ja demnächst schwanger sein könnte. Ich habe zum Beispiel Konzertkarten für kurz nach dem Transfer verschenkt, um ja nichts zu riskieren (ein Rock Konzert wohl gemerkt). Hätte mich da auch nur jemand angerempelt, den hätte ich in der Luft zerrissen. Ich plante generell nicht mehr weiter vor als zwei Wochen. Wie gestört ist denn das bitte?

Mein Leben wird bestimmt durch den Wunsch schwanger zu sein. Ich versklave mich selbst. Das muss sich ändern. Aber wie?

„Denk einfach nicht mehr daran. Man hört so oft, dass Menschen so lange versucht haben schwanger zu werden. Und als sie damit abgeschlossen hatten, wurden sie auf einmal schwanger.“

Kennt ihr diese weisen Worte von Menschen, die selber selbstverständlich schon Kinder haben? Menschen, die gerade mal den Entschluss gefasst haben mit der Verhütung aufzuhören und im nächsten Zyklus schwanger waren. Menschen, die keinen Dunst haben von den Schmerzen, Ängsten und Problemen die man tagtäglich zu bewältigen und verarbeiten hat. Sie meinen es sicherlich nicht böse, aber hören sie sich selber eigentlich zu? Wissen sie welchen Müll sie von sich geben? Wie soll man es denn um alles in der Welt schaffen, mit diesem Thema abzuschließen? Wie viele gescheiterte Versuche muss man hinter sich gebracht haben um damit abzuschließen und zu sagen „ok, dann kauf ich mir eben einen Hund“? Noch so ein Spruch bei dem es mir die Zehennägel aufrollt ist „du darfst dich nicht so rein steigern“.

Hallo? Geht´s noch? Seit ihr denn völlig bekloppt? In solchen Momenten muss ich immer durchatmen und im Stillen zu mir selber sagen „sie wissen es nicht besser, sie meinen es ja nur gut“.

Nach jedem negativen Befund, jeder negativen Information, war ich am Boden, rappelte mich zielstrebig wieder auf und KAWUMM. Schon wieder war ich ganz unten. Meine Stimmung bewegte sich zeitweise im Minusbereich. Mentale Fragilität ist an der Tagesordnung. Tränen kommen aus dem Nichts, Kleinigkeiten erschüttern mich. Irgendwann ist auch mein schier unendlich scheinendes „gute-Laune-Reservoir“ aufgebraucht. Mein Krafttank hat sich geleert. Ich fahre bereits auf Reserve, im roten Bereich, wenn man so will.

Und jetzt bin ich auf der Suche nach meiner persönlichen Tankstelle. Gott sei Dank weiß ich aber, dass ich in diesen Momenten auf Hasi, meine Familie und meine Freunde zählen kann. Sie alle sind für mich da. Das weiß ich auch sehr zu schätzen.
Ich stelle mir ganz einfach vor: einmal voll machen bitte, aber dalli dalli.

Weniger ist mehr

Heute habe ich nur ein Wenig geweint. Nur 3 – 4 Tränen. Oder waren es doch 5 – 6? Keine Ahnung. Aber wenig auf alle Fälle.

Rien ne va plus

Es wäre wohl zu schön gewesen.

Auf meine Periode war doch immer schon Verlass. Sie kam, sah und stürzte mich in das tiefste Loch der Welt. Eigentlich hätte ich es mir ja denken können. Freu dich nicht zu früh du dumme Pute. Mittlerweile müsstest du es ja wirklich schon besser wissen. Keinen Funken Freude aufkommen lassen. Denn jeder kleine Funke wird von der Dampfwalze unseres beschissenen Schicksals niedergewalzt. Platt gemacht. Dem Erdboden gleich. Und wo diese Dampfwalze mal war, dort keimt nie wieder etwas wie Freude auf. Sie erledigt ihren Job sehr gewissenhaft und genau. So auch dieses Mal.

Es traf mich härter als erwartet.

In meinem Kopf hatte ich diese Variante natürlich auch schon durchgespielt, aber dass es mich so schlimm erwischen würde, mit dem habe ich nicht gerechnet. Ich kam gerade nichtsahnend vom Einkaufen zurück und dann das.

Was war denn los mit mir? Warum ist es für uns unmöglich ein Baby zu bekommen? Warum wollte sich bei mir nichts einnisten? War es denn so ungemütlich bei mir? Ich tat alles um es diesem kleinen Zwerg gemütlich bei mir zu machen. Ich hatte aufgehört zu rauchen, ich trank keinen Schluck Alkohol, nahm regelmäßig meine Hormonregulierungstabletten und meine (nicht angenehmen) Zäpfchen seit dem Transfer, trug keine schweren Dinge herum, ging jeden Tag spazieren an der frischen Luft, ernährte mich gesund, trank ausreichend viel usw. Ich könnte das noch bis ins Unendliche weiterführen.

Und trotzdem war es uns offenbar nicht vergönnt. Wieder kein Baby für uns. Hasi tat zwar sein Bestes mich zu trösten, aber erstens brachte es nichts und zweitens war er selbst so tief traurig, dass wir uns eher gegenseitig runterzogen als uns halfen.

Es sollte wohl einfach nicht sein. Aber warum? War es so unvorstellbar, dass wir beide gute Eltern wären? Mr. M hatte uns zwar schonend darauf vorbereitet, dass Versuch Nummer 1 sehr oft negativ ausging (wird oft als Probeversuch zwecks Hormonvarianten angesehen), aber wir hofften ja doch, dass wir eine Ausnahme wären. Immerhin versuchten wir es doch bereits seit über drei Jahren. Wir hätten es wirklich verdient. Wir haben doch schon so viel Kraft, Energie und Hoffnung investiert. Dieses so sehr von uns gewollte Kind hätte es so schön bei uns. Wir würden alles für dieses Wunschkind tun. Alles.

Warum wollte es sich nicht einnisten? Warum hat es sich nicht wohl gefühlt bei mir? Was soll ich anders machen? Kann ich etwas anders machen? Werden wir für immer kinderlos bleiben? Sieht unsere Zukunft für uns keine Kinder vor? Hält unsere Beziehung das auf Dauer aus? Gehen wir an diesem schweren Los zu Grunde? Wie lange halten wir beide das noch aus? Wo nehme ich die Kraft für die kommenden Tage her? Wo nehme ich die Kraft für einen nächsten Versuch her?

Fragen über Fragen. Und keine Antworten. Aber wer braucht schon Antworten. Antworten würden diesen Tag auch nicht besser machen. Kein bisschen.

Stimmung: es tut so weh; ich kann nicht mehr